Elisabeth Hartmann

Mitglied des Kuratoriums der DTG

Einweihung des Tschechow-Denkmals am Burgberg in Badenweiler 1992

Erinnerung an Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge

Ich lernte Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge im Mai 1992 kennen, bei der Feier zur Enthüllung des neuen Tschechow-Denkmals am Burgberg in Badenweiler. Dr. Rudolf Bauert, der in Rente gegangene Bürgermeister des Kurorts, lernte damals bei mir Russisch, um Tschechow im Original zu lesen und eine Reise nach Sachalin zu unternehmen, ohne einen Dolmetscher zu gebrauchen. Er stellte uns einander vor: „Meine Russisch-Lehrerin“, sagte er, und nach einigen Fragen bot mir Herr Kluge an, am Slavischen Seminar in Tübingen bei ihm zu unterrichten: „Wir brauchen gute Lehrer!“ Er zeigte keine Hektik, sondern freundliche Aufmerksamkeit dem Menschen gegenüber, Neugier. Ich kann nicht beschreiben, wie wichtig es für mich war, so etwas zu erleben, sich als Mensch, nicht als Aussiedler, nicht als Vertriebene, sondern als Lehrerin, die man braucht, zu fühlen. Das vergesse ich ihm nie, ich bin ihm dankbar.

Das sind Emotionen einer Lehrerin der russischen Sprache und Literatur, die zur Zeit des Zerfalls der Sowjetunion nach Deutschland kommt und im Anschluss an das Übergangslager in Tübingen nach Müllheim geschickt wurde.

Was für ein Glück, im eigenen Beruf gebraucht zu sein, nicht als „Russlanddeutsche“ oder „Russin“ wahrgenommen zu werden, sondern als Trägerin der russischen Sprache, Literatur und Kultur. So wurde ich von ihm beflügelt.

Ich konnte nicht nach Tübingen, blieb in Müllheim und fasste den Mut, mein Diplom bestätigen zu lassen und an der Waldorfschule zu unterrichten. Stellvertretend habe ich zwei Semester an der Freiburger Universität Konversation über Literatur unterrichtet, Prüfungen abgenommen. Ich habe nicht mehr an meinen Fähigkeiten gezweifelt, lernte viel, entwickelte mich weiter.

Eine bessere Integration in die deutsche Gesellschaft konnte ich mir nicht vorstellen, als solch ein im Vorhinein geschenktes Vertrauen.

Elisabeth Hartmann