Deutsche Tschechow-Gesellschaft und Badenweiler beim Turgenev-Kongress in Baden-Baden

Vom 16.-18.9.2013 fand im Kurort an der Oos die erste internationale wissenschaftliche Konferenz „Turgenev heute“ der  „Turgenev-Gesellschaft Deutschland“ statt, bei der auch die Deutsche Tschechow-Gesellschaft  (DTG) personell beteiligt war.

Schon seit der DTG-Gründung 2009 kooperieren beide jeweils in badischen Kurorten ansässigen Gesellschaften und wurden auch gegenseitig als Institutionen Mitglied. Renate Effern, Vorsitzende der  einladenden Turgenev-Gesellschaft, hatte die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe bewegen können, ihr Tagungshaus, das berühmte Palais Biron, kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Tagung, zu der fast 30 Referenten von Universitäten, Bibliotheken und Museen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Kanada, Österreich, Russland und Weißrussland angereist waren, hatte angesichts des 2018 bevorstehenden 200. Geburtstags des russischen Schriftstellers Iwan Turgenjew (1818-1883) keine leichte Themenstellung gewählt. Ging es doch um Wege, wie man das heute sowohl in seinem Heimatland wie in Westeuropa zurückgegangene Interesse für diesen Schriftsteller wiedergewinnen könne. Turgenjew, der in Berlin studiert hatte und fließend Deutsch, Französisch und Englisch sprach, hatte lange in Baden-Baden gelebt und  zählte etwa mit seinem Roman „Väter und Söhne“ (1862) auch in Deutschland zu den auflagenstärksten Autoren. Generalkonsul Ruslan Karsanov aus Frankfurt betonte in seinem Grußwort, dass  Kultur und Literatur gerade angesichts der schwierigen politischen Situation beider Länder eine besonders erfolgreiche Rolle der Verständigung zufalle. Der DTG-Vorsitzende, Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge (Univ. Tübingen) sowie Prof. Dr. Horst-Jürgen Gerigk (Univ. Heidelberg, Kuratorium der DTG), beide auch ausgewiesene Turgenjew-Forscher, hielten die jeweils die deutsch-russische Nähe betonenden Eröffnungsvorträge über Turgenjews „Faust“-Novelle sowie den Roman „Rauch“, der in Baden-Baden spielt. Insgesamt reichte das Themenspektrum von Übersetzungsproblemen  über die Rezeption einzelner Werke bis zur psychoanalytischen Interpretation und zur musealen Präsentation von Literatur. Der provokanteste Vortrag kam von der Moskauer Turgenjew-Bibliotheksdirektorin Tatjana Korobkina, die das aktuelle Schicksal Turgenjews metaphorisch mit dem Film „Melancholia“ von Lars von Trier, also mit dem Weltuntergang, verband. Bei der Schlussdiskussion aller Konferenzteilnehmer konnte die Gretchenfrage, wie man Turgenjew in der europäischen Öffentlichkeit am geschicktesten präsentieren könne, hinsichtlich der Textrezeption auch keineswegs überzeugend beantwortet werden. Eine Strategie, angeregt vielleicht durch einen Vortrag von Konrad Fuhrmann (EU Brüssel) fand sich aber doch: Der Schriftsteller sei  als „Westler“ innerhalb der weltanschaulichen  Diskussion zwischen Westlern und Slavophilen des 19. Jahrhunderts der erste Europäer im modernen Sinne gewesen, der mit der Crème der westeuropäischen Literatur des 19. Jahrhunderts korrespondierte oder sogar befreundet war. Diese frühe enge literarische Verbindung zwischen Ost- und Westeuropa zu betonen sei angesichts eines zusammenwachsenden Kontinents vielleicht eine der wichtigsten Leistungen des Autors, die heute kulturgeschichtlich tragen könne. Natürlich richtete sich der Blickwinkel auch auf Badenweiler, der einzige Ort Baden-Württembergs, der ein Museum für einen russischen Schriftsteller besitzt. Gleich mehrere ausländische Gäste versprachen, den Sterbeort Tschechows zu besuchen, mit Generalkonsul Ruslan Karsanov aus Frankfurt wurde sogar schon ein Terminrahmen vereinbart.

Heinz Setzer