Signale für einen intensiveren Kulturdialog mit Russland.

Ehrengäste des Russischen Kulturfestivals in Badenweiler.

Botschafter Wladimir Grinin (sitzend), Honorarkonsul Prof. Dr. Klaus Mangold, Generalkonsul Ruslan Karsanow, Bürgermeister Karl-Eugen Engler und Museumsleiter Heinz Setzer beim Eintrag in Goldene Buch der Gemeinde Badenweiler

„Gemeinsam Zukunft gestalten“ mit diesem Motto des „Jahres der Begegnung: Deutschland in Russland – Russland in Deutschland“ hatte Wladimir Grinin, Botschafter der Russischen Föderation aus Berlin, bei der offiziellen Eröffnung des II. Russischen Kulturfestivals am 26.4.2013  im Kurhaus Baden-Baden die Intention dieser kulturellen Großoffensive beschrieben. War doch das bis zum 5.5. laufende Festival als Meilenstein der freundschaftlichen Beziehungen und des kulturellen Dialogs zwischen beiden Völkern gedacht. Die Ebene der Unterstützer war respektheischend: die Regierung der RF und die Stadtregierung Moskaus, die russische Staatsduma, die auch als Schirmherrin agierte, das Kulturministerium der RF, die russische Botschaft in Berlin und das Generalkonsulat in Frankfurt, das russische und deutsche Außenministerium. Organisator war die in beiden Ländern ansässige Art-Assemblee-Agency GmbH. Das mit Dutzenden großer Namen von Orchestern, Schriftstellern, Künstlern, Musikern, Regisseuren und Schauspielern bestückte Festivalprogramm, einzusehen etwa unter www.art-baden.com , war  durchaus geeignet, die aktuellen politischen Eintrübungen im deutsch-russischen Verhältnis an den Rand zu drängen. Badenweiler und die Dt. Tschechow-Gesellschaft nahmen mit dem Ersten stv. Bürgermeister Hans-Dieter Paul, der den erkrankten BM Karl-Eugen Engler vertrat, sowie Museumsleiter Heinz Setzer an der Eröffnung teil. Neben dem Hauptort Baden-Baden war das Festivalprogramm auch in anderen Städten präsent, von Wiesbaden über Straßburg, Mannheim, Heidelberg bis Freiburg. Dass auch Badenweiler auf der Agenda stand, war das Zeichen, dass das Heilbad auf dem kulturpolitischen Parkett Russlands wahrgenommen wird.

Gleich am Tag nach der Festivaleröffnung, am 27.4. vormittags, reisten Botschafter Grinin mit Gattin sowie Kulturbotschaftsrat Alexander Lopuschinski, Generalkonsul Ruslan Karsanow aus Frankfurt mit Gattin und Honorarkonsul Prof. Dr. Klaus Mangold aus Stuttgart sowie fast 40 renommierte russische Schauspieler, Künstler, Regisseure und Journalisten gemeinsam mit der Festivalleitung an. Sogar der Direktor des berühmten Puschkin-Museums in St. Petersburg war mitgekommen, um die „Tschechow-Stadt“ Badenweiler kennenzulernen.

Zwar lud das kalte Regenwetter nicht gerade zum Spazieren ein, dennoch führte Setzer die Gästeschar vom Schlossplatz über den Vogesenblick zum Tschechow-Denkmal, ins Literaturmuseum und dann quer durch den Kurpark und die römische Badruine ins Rathaus zum offiziellen Stehempfang. Nach der humorvollen Begrüßungsrede von BM Engler, der mit dem Bonmot vom großen Orchester Baden-Baden und dem Kammerorchester Badenweiler, was durchaus kein Qualitätsurteil darstelle, für gute Atmosphäre sorgte, danke Botschafter Granin dem Heilbad und seiner Leitung für deren außerordentliches Geschick und Engagement bei der Vermittlung russischer Kultur. Da er bereits vor zwei Jahren Engler und Setzer in Berlin mit der Tschechow-Medaille ausgezeichnet hatte, waren  ihm die Aktivitäten des Heilbads nicht erst seit gestern bekannt. Deutschland und Russland müsse es vorrangig darauf ankommen – so Grinin -  gegenseitig und umfassend Verständnis füreinander zu gewinnen. Auch wenn beide Länder gleiche Kultur und Werte zur Grundlage hätten, gebe es bei der Lebenspraxis Unterschiede. Umso wichtiger sei der Kulturdialog, der alleine das Verstehen fördern könne. Gerade die Tschechow-Stadt Badenweiler sei hier, ähnlich wie Baden-Baden, in besonderer Position, was er im höchsten Maße begrüße.

Mangold als russischer Honorarkonsul für Baden-Württemberg ging gleichfalls auf die historisch gewachsene Partnerschaft mit Russland ein und versprach zukünftigen Projekten des Heilbads wohlwollende Aufmerksamkeit zu widmen. Dann überbrachte Setzer die Grüße der Dt. Tschechow-Gesellschaft und fügte die Anekdote an, dass Grinins „Amtsvorgänger“ vor 105 Jahren, der damalige Botschafter Russlands im Großherzogtum Baden, Minister Dmitri von Ejchler, das erste Tschechow-Denkmal durchaus auch als politisches goodwill-Zeichen im Namen des Russischen Imperiums dem „Badischen Volke“ übergeben habe und Badenweiler sich damals mit dem „Heimatrecht für Tschechow“ bedankt habe. Grinin ging schmunzelnd auf die Anspielung ein und versprach, bei seinen Planungen in Zukunft stärker nach Badenweiler zu blicken. Eine beeindruckende Badenweiler-Fotoshow mit russischen Bildunterschriften lief während des ganzen Empfangs über die Leinwand und gab auch für das Auge genügend Abwechslung.

Natürlich hatte BM Engler das Goldene Buch der Stadt auslegen lassen, das dann gleich um mehrere vollgeschriebene Seiten wuchs. Karsanow formulierte so unter anderem: „Als Generalkonsul der Russischen Föderation in Frankfurt werde ich die langjährige Tradition unterstützen, alles, was mit dem Namen Tschechow verbunden ist, weiter zu popularisieren.“ Und Mangold stand dem mit seinem Eintrag nicht nach: “Ein großartiger Tag für die deutsch-russischen Beziehungen im Geiste Tschechows in dieser wunderbaren Stadt. Wir sollten Badenweiler noch mehr in den Angelpunkt der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland stellen.“

Kein Wunder, dass man nach so vielen hoffnungsvollen Ausblicken gut gelaunt ins Hotel Römerbad wechselte, wo nicht nur Kaffee, Tee und Kuchen warteten, sondern auch noch  zwei Kulturprogramme: Ein Meisterduo spielte auf Flügel und Violine klassische deutsche und russische Kompositionen. Dann kam nochmals Setzer - diesmal auf Russisch - zu Wort: Die Festivalplaner hatten einen Vortrag über Tschechow und Konstantin Stanislawski, den künstlerischen Leiter des weltberühmten Moskauer Akademischen Künstlertheaters, das auch jetzt beim Festival in Baden-Baden Gastspiele gab,  gewünscht. Über Stanislawski, der bis heute als einer der bedeutendsten Theatertheoretiker gilt und dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, gab es für die Anwesenden eine durchaus erstaunliche Erkenntnis: Stanislawski hatte in seinem Leben während fünf Aufenthalten weit über ein Jahr in Badenweiler verbracht, von hier wurden über Monate hinweg die Weichen für das Künstlertheater mit gestellt. Zwei Theaterheroen – Tschechow und Stanislawski – in Badenweiler, ein beeindruckendes Fazit.

Immer noch bei Regenwetter trat man um 15 Uhr die Rückfahrt nach Baden-Baden an, wo das Festivalprogramm seinen Fortgang nahm.

Heinz Setzer