Kräftiger Aufwind mit Jubiläen und Festivals für den deutsch-russischen Dialog 2014 in Badenweiler.

Nicht einmal die Sitzplätze reichten bei der „Tschechow-Soirée“ der Deutschen Tschechow-Gesellschaft (DTG) und des Literarischen Museums „Tschechow-Salon“, mit der am 31.1.14, zwei Tage nach dem 144. Geburtstag des russischen Schriftstellers, das deutsch-russische Kulturjahr 2014 in Badenweiler begann. Mit der Schweizer Schauspielerin Angelika-Ditha Morosowa, der deutsch-russischen Schriftstellerin und Lyrikerin Larissa von Treyden und dem Chor „Rosinka“ aus Freiburg wurde es ein überzeugender Start ins 110. Todesjahr Tschechows! Natürlich bedeutet ein Gedenkjahr stets eine besondere Verpflichtung Badenweilers vor der Literaturgeschichte, in diesem Jahr soll es vor allem durch Beiträge der russischen Seite besonderen Glanz gewinnen.

Badenweiler auf dem Weg zum Denkmalspark

Schon am Sonntag, dem 27.4.14, wird das „III. Festival: Russische Kulturtage in Europa “ in Badenweiler mit einigen der bekanntesten russischen Vertreter aus Theater, Literatur und öffentlichem Leben Station machen, um die hiesige, bereits nicht arme Tschechow-Denkmalslandschaft mit einem weiteren Kunstwerk zu bereichern. Seit vielen Jahren entwickelt sich hier ein neuer ästhetischer Stil literarischen Gedenkens, der Epoche, Provenienz und Verständnis der internationalen Tschechow-Rezeption wie des deutsch-russischen Dialogs künstlerisch nachverfolgen lässt  – eine durchaus spannende Perspektive! Zu den Kulturtagen, die mehrere Bundesländer einschließlich Berlin umfassen, wird die Regierung des Gebietes Rostow-am-Don, welche den Kulturpartnerschaftsvertrag Taganrogs mit Badenweiler 2002 mit unterzeichnete, dem Heilbad eine Tschechow-Bronzeplastik als Geschenk übergeben. Geschaffen wird sie von dem international bekannten und Verdienten Künstler Russlands, Sergej Issakow aus Rostow. Vorerst soll sie im Rathausfoyer ihren Platz finden. Dass zur Einweihung, wie seit der ersten Denkmalsenthüllung von 1908 Usus, auch ein kulturelles Begleitprogramm gehört, versteht sich.

Ein transkontinentales Netzwerk zur Tschechow-Woche

Quer über die Kontinente Europa und Asien hinweg soll sich dieses Jahr die „Internationale Tschechow-Woche“ vom 14.-21. Juli spannen, die traditionell in zeitlicher Nähe zu Tschechows Sterbetag am 15.7. stattfindet. Im Kurhaus wird sich das vor zwei Jahren in Russland begründete Tschechow-Netzwerk „Internationale Gemeinschaft der Tschechow-Museen und Bibliotheken aus Russland, der Ukraine und Deutschland“ mit der Ausstellung „Die literarische Weltkarte Anton Tschechows“  erstmals der Öffentlichkeit vorstellen. Badenweiler fällt dabei die deutsche Vertretung zu.

Vom 19.7. bis zum 31.8. 14 werden Museen und Bibliotheken Fotos und Objekte ausstellen, die dem Leben und Werk Tschechows auf besonderer Weise verbunden sind: Beteiligt sind die Museen der Kulturpartnerstadt Taganrog, dann das Tschechow-Haus-Museum und das Staatliche Zentrale Bachruschin-Theatermuseum Moskau, das Staatliche Zentrale Tschechow-Museum Melichowo, die Tschechow-Museen und Bibliotheken der ostsibirischen Insel Sachalin und die Institutionen der ukrainischen Halbinsel Krim, wo der Schriftsteller die letzten Lebensjahre verbrachte. Der Kurator der Tschechow-Woche, Museumsleiter Heinz Setzer, setzt darauf, dass vor allem die demokratisch-aufklärerischen Überzeugungen Tschechows sichtbar und zum komplizierten Ost-West-Dialog in positiver Weise beitragen werden. Dass dabei der neue Russland-Koordinator der Bundesrepublik, Dr. h.c. Gernot Erler, einen Vortrag über die Chancen der Kultur für die bilateralen Beziehungen halten wird, sollte der Woche ebenso zusätzlichen Auftrieb verleihen wie ein Open Air-Konzert des Kammerchores LIK aus Taganrog, eines der besten Chöre ganz Russlands, zwei exklusive Gastspiele des Tschechow-Theaters Melichowo sowie die „Panichida“ in der Marienkapelle, ein orthodoxer Gedenkgottesdienst mit dem Chor der russischen Gemeinde Straßburgs.

Mitten in die Tschechow-Woche fallen noch zwei weitere Jubiläen, wenn auch eher politisch-historischen Zuschnitts: Am 15.7.1914, vor genau 100 Jahren, 16 Tage vor der Kriegserklärung des Dt. Reiches an Russland, wurde vor dem ersten Tschechow-Denkmal am Burgberg Badenweilers die letzte internationale Tschechow-Feier vor dem Ersten Weltkrieg abgehalten, zu der sogar die Staatsduma in St. Petersburg einen Vertreter entsandte. Doch die deutsch-russische literarische Gemeinsamkeit ging kurz darauf in den Schützengräben unter…

Gleichfalls am 15.7, aber vor 50 Jahren, dann eine Art Auferstehung: Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg, kurz nach Berliner Mauerbau und Cuba-Krise, hatte Bundeskanzler Ludwig Erhardt russische Journalisten nach Westdeutschland eingeladen. Man begann die bundesrepublikanische Rundreise am gerade ein Jahr zuvor eingeweihten Tschechow-Gedenkstein Badenweilers als eine Art symbolische Versöhnungsformel im Namen Tschechows….

Das Museum und die DTG werden auch bei den internationalen Tschechow-Konferenzen im März und Juni in Melichovo unter Leitung der Russ. Akademie der Wissenschaften teilnehmen, die gleichfalls unter dem Motto „Tschechows Weltkarte“ stehen.

Bei allen Projekten werden Museum und Dt. Tschechow-Gesellschaft Hand in Hand arbeiten. Dass Badenweiler die Grenzen regionaler Literaturpflege längst überschritten hat, gab das Land Baden-Württemberg als Drittmittelgeber über die Landesstiftung bereits zu erkennen. Auch die Allgemeine Literarische Gesellschaft (ALG), die „Stiftung West-Östliche Begegnungen“ (WÖB) Berlin sowie die Arbeitsstelle Literaturmuseen (ALIM) in Marbach sind hoffentlich auf deutscher Seite mit von der (Förder-)Partie. Krönung wäre die Aufnahme in das im Juli beginnende bilaterale Kulturjahr 2014/15 „Sprache und Literatur“ der  Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation, das gerade in Vorbereitung begriffen ist.

Heinz Setzer