Deutsche Tschechow-Gesellschaft im internationalen Aufwind.

Zur Hauptversammlung innerhalb der „Tschechow-Woche Badenweiler“

Es herrschte alles andere als bürokratische Langeweile, als am 12.7. die „Internationale Tschechow-Woche in Badenweiler 2012“ mit der Jahreshauptversammlung der „Deutschen Tschechow- Gesellschaft e.V.“ (DTG) ihren Anfang nahm, wurde doch deutlich, dass die DTG mitten im kulturellen Dialog der beiden Länder Deutschland und Russland angekommen ist.

Zuerst galt es die am Vorabend angereiste achtköpfige Amtsdelegation samt TV-Team aus Tschechows Heimatstadt Taganrog zu begrüßen. Die aktuell rund 275.000 Einwohner zählende Industrie- und Handelsstadt ist bestrebt, ihren bis zur sowjetischen Zeit bewahrten früheren Ehrentitel „Perle des russischen Südens“ wieder zu erlangen und steht heute fest zur Zusammenarbeit mit der DTG und der Kulturpartnerstadt Badenweiler.

Die Regularien der Sitzung gingen schnell über die Bühne: nach dem beeindruckenden Rechenschaftsbericht des ersten Vorsitzenden, Prof. Rolf-Dieter Kluge, und dem Finanzbericht des Schatzmeisters, Bürgermeister Karl-Eugen Engler, erteilten die Mitglieder unisono Entlastung und wählten die bisherigen Amtsträger einstimmig erneut in den  Vorstand.

 Vor allem die stark ausgeweiteten internationalen Beziehungen der DTG, die mittlerweile in ein Netzwerk mit in- und ausländischen Kulturgesellschaften und Museen eingebunden ist, waren eine spannende Erfolgsgeschichte. Doch auch die Öffentlichkeitsarbeit mit Werbeflyer in vier Sprachen und der ebenfalls mehrsprachigen Website (www.deutsche-tschechow-gesellschaft.de) fand großes Interesse.

Für weitere drei Amtsjahre wurden in den Vorstand gewählt: Vorsitzender Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge (Univ. Tübingen und Warschau); Stv. Vorsitzender Heinz Setzer (Leiter Tschechow-Museum und Internationales Literaturforum Badenweiler); Schriftführerin Dr. Regine Nohejl (Univ. Freiburg); Schatzmeister Karl-Eugen Engler (Bürgermeister Badenweiler). Als Beisitzer im Vorstand wurden gewählt: Prof. Prof. h.c. Dr. Elisabeth Cheauré (Univ. Freiburg); Elisabeth Hartmann (Russischlehrerin, Müllheim); Pfr. a.D. Rolf Langendörfer (Badenweiler); Rolf Siegismund (Hotelier Badenweiler); Anatoli Zaretzkow (Generaldirektor der Asow-Schwarzmeer-TV-Gesellschaft, Rostow-am-Don).

In die Leitung des beratenden Kuratoriums wurden gewählt: als Präsident Dr. h.c. Gernot Erler, MdB, Fraktionsvorsitzender, Staatsminister a. D.; als erster Vize-Präsident Prof. Dr. Wladimir Katajew (Lomonossow-Univ. Moskau, Vorsitzender der Tschechow-Kommission bei der Russ. Akademie der Wissenschaften); als zweiter Vize-Präsident Wladimir Prasolow (Oberbürgermeister von Taganrog). Zudem wurden die folgenden 13 weiteren Kuratoriumsmitglieder als Fachvertreter von Universitäten, Museen, Medien und Verwaltungsgremien gewählt. Dr. Konstantin Bobkow (Generaldirektor des Tschechow-Museums und der Gedenkstätte Melichovo bei Moskau); Alain Cormont (Bankkaufmann, Kommandeur des Russischen Großpriorats des Johanniterordens,); Prof. Dr. Maria Deppermann (Univ. Innsbruck/Österreich); Juri Dudnik (Auslandsvertreter der Industrie- und Handelskammer Taganrog); Prof. Dr. Evelyne Enderlein (Univ. Straßburg); Sergej Gert (Direktor des Städtischen Tschechow-Theaters Taganrog);  Kornelia Harff-Asch (Geschäftsführerin Badenweiler Thermen und Touristik GmbH); Dr. Karla Hielscher (Kulturjournalistin, Seeshaupt); Prof. Dr. Wolfgang Kissel (Univ. Bremen); Alexander Mirgorodski (Leiter Auslandsabteilung der Stadtverwaltung Taganrog); Dieter Schreck (Ingenieur, Badenweiler); Larissa von Treyden (Schriftstellerin, Kulturjournalistin, Freiburg i. Br.); Marina Radomskaja (Sozial- und Kulturbürgermeisterin von Taganrog). Als Rechnungsprüfer wurden gewählt: Andrea Schmidt (Buchhandlung & Druckerei Müllheim); Ulrike Kießling (Ortsvorsteherin Schweighof).

Die zukünftigen Projekte sind Beleg dafür, dass die DTG den Nerv der Zeit trifft: so erreichte die DTG das Angebot des Moskauer “Staatlich-zentralen Theatermuseums genannt A.A. Bachruschin“, also des größten Theatermuseums Russlands, um in Kooperation mit dem Moskauer Experimentaltheater „International Chekhov Laboratory“ und dem Tschechow-Museum Badenweiler eine Filiale des neuen Moskauer „Tschechow-Instituts“ zu werden. Des weiteren ist im September 2012 eine Kontaktreise nach Taganrog und Moskau geplant. Ein „Newsletter“ soll zudem in Zukunft nicht nur über die Aktivitäten der Gesellschaft, sondern auch über die neuesten Tschechow-Inszenierungen, Begegnungen und Publikationen informieren. Doch reicht die Intention der DTG auch über Tschechow hinaus, zum offiziellen deutsch-russischen Jahr der Begegnung 2012/13 wurde das Engagement und die Verpflichtung für einen intensiven bilateralen Kulturdialog besonders betont, entsprechende Projekte sind in Planung.

Danach wurde der im Frühjahr 2012 erschienene, 650 Seiten starke Kongressband „A. P. Tschechow – Der Dramatiker. Beiträge des Dritten Internationalen Tschechow-Symposiums“ vorgestellt, der von den DTG-Vorstandsmitgliedern R. Nohejl und H. Setzer, u.a. mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde Badenweiler und der DTG, herausgegeben wurde. Mit 70 Beiträgen einer 2004 von der Uni Tübingen in Badenweiler abgehaltenen internationalen Tschechow-Konferenz bietet er einen umfassenden aktuellen Forschungsüberblick.

Ein exklusives Geschenk hatte Vorstandsmitglied A. Zareckow vorbereitet: die Filmpräsentation eines für die Hauptversammlung auf Deutsch synchronisierten 15-minütigen Fernsehfilms über die Geschichte der Tschechow-Stadt Taganrog. Dem Tschechow-Archiv Badenweiler übergab Zareckov zudem seine „Gesammelten Werke“ von zwölf DVDs, die von ihm zu den kulturellen Beziehungen Taganrogs und Badenweilers in den letzten 10 Jahren produziert worden waren.

Mit einem Solo-Konzert des international bekannten „Bajan“-Virtuosen Sergej Riasanow (Moskau/Stuttgart) hatte die DTG dann noch ein besonderes kulturelles Glanzlicht aufgesetzt. Russlands musikalische Tradition geistlicher Spiritualität kam auf dem Bajan, dem Meisterinstrument der Akkordeontechnik, ebenso atemberaubend zu Gehör wie die westliche Klassik oder Jazzkompositionen. Das Publikum dankte mit stehendem Applaus.

Heinz Setzer