"Mit Deutsch kannst du mehr" – Deutsche Tage in Taganrog

Gelungene „Deutsche Tage“ in Badenweilers Kulturpartnerstadt Taganrog  in spannungsreichen Zeiten (11. bis 16. November 2018)

Dt. Woche Taganrog mit Professoren, Studenten, H. Setzer, R. Siegismund im Festsaal der Tschechow-Bibliothek

„Mit Deutsch kannst du mehr!“ Unter diesem zündenden Slogan liefen vom 11. bis 16. November 2018 die „Deutschen Tage in Taganrog“ als eine ambitioniert-gelungene Kulturinitiative der südrussischen Heimatstadt Anton Tschechows, die eine knappe Autostunde von dem umkämpften ostukrainischen Gebiet Donezk entfernt am Asowschen Meer liegt. Allen west-östlichen aktuellen Krisen zum Trotz wurde mit Bravour unter Beweis gestellt, dass die von Peter dem Großen gegründete Hafenstadt, die „ohne den Einfluss der Deutschen nicht denkbar ist“, wie es gleich zu Beginn des Programmflyers zu lesen gab, sich auch heute wieder Deutschland und dessen Kultur verbunden fühlt.

Unterstützt von der Deutschen Botschaft in Moskau, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Goethe-Institut in Rostow-am-Don und organisiert von der Südrussischen Föderalen Universität in Taganrog mit dem Tschechow-Institut für deutsche und französische Sprache an der Spitze sowie den weiteren Hochschulen, der Tschechow-Bibliothek, den Museen, Gymnasien und der Stadtadministration, wurde von der früheren „Perle Südrusslands“, so der Beiname der Stadt im 19. Jahrhundert, ein prall gepacktes fünftägiges Kulturprogramm mit großer Anteilnahme von Professoren, Studierenden, Schülern und Bürgern durchgeführt.

Natürlich wurden Gütersloh und Lüdenscheid als Partnerstädte Taganrogs geehrt, doch eindeutig im Rampenlicht stand Badenweiler als Taganrogs Kulturpartnerstadt, die durch Museumsleiter Heinz Setzer und Exhotelier Rolf Siegismund, beide auch Vorstandsmitglieder der Deutschen Tschechow-Gesellschaft, vertreten war. Cheforganisatorin Prof. Dr. Galina Polenowa vom Tschechow-Institut hatte Setzers Bildvortrag „Badenweiler – ein russisches Nest?“ an zentraler Stelle eingeplant. Dabei gab es viel Staunenswertes zu hören, etwa, dass im Jahr 1914 bei der großen Tschechow-Feier gerade elf Tage vor der Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland (!), wobei sogar der Bau einer orthodoxen Kirche im Kurort verkündet wurde, der zahlenmäßig absolute Höchststand russischer Gäste vor dem Krieg erreicht wurde. Die „russische Kolonie“ bzw. das „russische Dörfchen“ Badenweiler, wie die Zeitungen damals über Badenweiler schrieben, schlidderte gleichsam traumwandlerisch in den Krieg. Beifall löste Siegismunds Versprechen aus, die von ihm über zehn Jahre betriebenen Einladungen an Taganroger Studentinnen zum Spracherwerb im Heilbad mit Unterstützung anderer Hotels wiederzubeleben.

Natürlich waren die „Deutschen Tage“ mit Ausstellungseröffnungen, Theateraufführungen, Tschechow-Rezitationen, Lesungen durch die Schriftstellerin Ines Burkhardt, Konzerten deutscher Komponisten und einen Bierabend in der wiederbegründeten deutschen Brauerei eine breitgefächerte kulturelle Werbeveranstaltung für die deutsche Sprache und Kultur. Zusammen mit nicht minder bedeutsam zu wertenden persönlichen Kontakten und Freundschaften wurde daraus eine glänzende Strategie für gegenseitiges Verständnis und transnationale Entspannung, was gerade jetzt wichtiger denn je erscheint. Dass Deutschkenntnisse dazu das Instrumentarium der Zukunft werden sollen, ist gewiss eine großartige, wenn auch gewagte Zukunftsvision. Nicht ohne Grund sagte der Erste Botschaftsrat Dr. Mathias Roth aus Moskau Badenweiler jede mögliche Unterstützung zu – sind doch die Kulturbeziehungen in der aktuellen Krisenzeit die verlässlichste Brücke nach Russland geblieben. Nächstes Jahr soll von russischer Seite das Jahr „Russland in Deutschland“ stattfinden, das Taganrog gerne nutzen würde, um seinen Kammerchor LIK, das Philharmonische Orchester und das Tschechow-Dramen-Theater zu den Partnerstädten zu senden – eine Perspektive, die von vielen Hoffnungen getragen wird.

Heinz Setzer