Im schwierigen internationalen Umfeld

Traditionell findet die Jahreshauptversammlung der Dt. Tschechow-Gesellschaft (DTG) mit Sitz in Badenweiler donnerstags in der „Internationalen Tschechow-Woche Badenweiler“ statt. Die DTG ist übrigens selbst an einem Donnerstag vor 14. Jahren, am 16.7.2009, begründet worden. Bedauert wurde zu Beginn, dass Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzender Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge gesundheitlich verhindert war. In ihrem Rechenschaftsbericht konnte die Vorsitzende, Prof. Dr. Dorothea Scholl, trotz Ukraine-Krieg und Corona-Nachwirkungen, eine beeindruckende Veranstaltungsreihe vorweisen.

Coronabedingt war die „Tschechow-Soirée“, die üblicherweise zeitnah am Geburtstag Tschechows am 29.1. stattfindet, auf den 22.4. verlegt worden. Szenisch gelesen wurden von Mitgliedern aus Vorstand und Kuratorium (Elisabeth Hartmann, Sera Leisinger, Regine Nohejl, Roland Nußbaumer, Hans-Dieter Paul, Heinz Setzer, Dieter Schreck, Jürgen Gräser) eine von Dr. Regine Nohejl adaptierte Kurzversion der bekannten Tschechow-Erzählung „Krankensaal Nr. 6“, in der aus verschiedenen Perspektiven die Frage gestellt wird, wie man leben solle.

Ein zentraler Punkt der Tschechow-Woche im Juli 2022 war die feierliche Verabschiedung von Heinz Setzer als Leiter von Museum und Internationalem Literaturforum. Er hatte vor 25 Jahren das Museum maßgeblich konzipiert, über ein Vierteljahrhundert zu seiner großen überregionalen Bedeutung geführt und das Netzwerk mit Russland, aber auch zu deutschen Museen und Universitäten entwickelt. Leider mussten wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine die bislang engen Russlandkontakte, zu denen natürlich auch die Beziehungen zu der Kulturpartnerstadt Taganrog zählen, auf Eis gelegt werden - das sicher folgenreichste Ereignis des letzten Jahres auch für die DTG, sind doch rund 25 % der Mitglieder in Russland ansässig.
Weitere wichtige Projekte der Tschechow-Woche waren eine Erinnerungsveranstaltung für die Badenweiler eng verbunden gewesene Schriftstellerin Ingeborg Hecht-Studniczka sowie ein Vortrag des Präsidenten des DTG-Kuratoriums, des ehemaligen Russlandbeauftragten der Bundesregierung und Staatsministers a. D., Dr. h.c. Gernot Erler. Am 14.9. wurde die noch von H. Setzer organisierte Buchausstellung des Börsenvereins des Dt. Buchhandels im Kurhaus mit einer Lesung des Schriftstellers Markus Orth durchgeführt.
Eine Podiumsdiskussion zu „Dostojewski im Ost-West-Konflikt“, die Dorothea Scholl mit dem Journalisten und Schriftsteller Michael Schikowski, führte, bereicherte ebenso das Septemberprogramm wie die Vorstellung des neuesten Dostojewski-Buches des früheren DTG-Vorsitzenden der Deutschen Tschechow-Gesellschaft Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge.
Letzter Programmpunkt war im November ein Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Hochbrucks zu „Stephen Cranes Blick auf Europa“. Crane, der als Mitbegründer der nordamerikanischen literarischen Moderne gilt, war 1900, vier Jahre vor Tschechow und wie dieser in Badenweiler seiner TBC erlegen. Seit 2007 vergeben Universität Freiburg und Badenweiler gemeinsam alle zwei Jahre den Stephen-Crane-Preis für nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften. 2023 ist wieder Preisverleihungsjahr. DTG-Mitglied und Interims-Museumsleiter, Pfr. i. R. Rolf Langendörfer, hatte mehrere Führungen zu den literarischen Gedenkorten Badenweilers durchgeführt. Die Vorsitzende betonte, dass die DTG die Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine sehr deutlich spüre und sich als deutsch-russische Kulturgesellschaft allerdings nicht zu einer Positionsbestimmung herausgefordert sieht. Trotz der ruhenden offiziellen Beziehungen mit Russland konnte darauf verwiesen werden, dass auf der privaten Ebene dennoch via Internet Kontakte stattfinden – wenn auch unter Vermeidung jeglicher Anspielung auf den Angriffskrieg Russlands, um dort niemand in Gefahr zu bringen. R.-D. Kluge und H. Setzer haben so jeweils einen russischsprachigen Beitrag zu der Festschrift anlässlich des 85. Geburtstags des Vizepräsidenten des DTG-Kuratoriums, Prof.Dr. Wladimir Katajew in Moskau, eingereicht.

Danksagungen für exzellente Arbeit wurden für Heinz Setzer als Projektplaner, Regine Nohejl als Protokollantin, Roland Nußbaumer als Schatzmeister und für weitere Mitglieder aus Vorstand und Kuratorium ausgesprochen. Nach diesem Rechenschaftsbericht der Vorsitzenden hielt Roland Nußbaumer seinen Kassenbericht, der von den beiden Finanzprüferinnen Ulrike Kießling und Andrea Schmidt als einwandfrei genehmigt worden war und der bestätigte, dass die DTG zurzeit eine gute Haushaltslage besitzt. Dies lag auch daran, dass viele Referenten 2022 auf ihr Honorar zugunsten der DTG Verzicht geleistet hatten. Dem Vorstand wurde anschließend einstimmig ohne Enthaltungen die Entlastung erteilt. Im geschäftsführenden Vorstand sind nun wieder: Prof. Dr. Dorothea Scholl, Vorsitzende; Heinz Setzer, Stv. Vorsitzender; Dr. Regine Nohejl, Schriftführerin; Roland Nußbaumer, Schatzmeister. Beisitzer sind: Prof. Dr. Helmut Haas, Prof. Dr. Rolf-Dieter Kluge, Rolf Siegismund, Dr. Jana Wenzel; Bürgermeister Vincenz Wissler,

Bei der nachfolgenden Aussprache wies Heinz Setzer darauf hin, dass durch die konsequente organisatorische Trennung von DTG und Museum zu Beginn des Jahres finanziell eine neue problematische Situation eingetreten sei. Da nun erstmals die Literaturprojekte ausschließlich durch die DTG und nicht mehr kooperativ mit dem Museum geplant werden, entfällt auch die regelmäßig geleistete Förderung durch das Deutsche Literaturarchiv in Marbach, da dies nur Museumsaktionen fördern darf. DTG-Vorstandsmitglied und BM Vincenz Wissler ergänzte, dass die DTG allerdings auf Antrag Förderung aus dem Kulturhaushalt der Gemeinde erhalten könne. Dennoch wurde klar, dass dir Finanzsituation in der Zukunft schwieriger werden wird. Nach dem Ausblick auf die Aktivitäten in 2023 und einer Aussprache mit den Mitgliedern, die z. T. von weit, etwa aus Gießen, angereist waren, fand die Hauptversammlung ihr Ende und man bereitete sich auf den Kulturteil des Tages, die deutschsprachige Premiere des Film-Essays der Schweizer Regisseurin Dominique de Rivaz „Ein Selfie mit Anton Tschechow“, vor.

Heinz Setzer